Grundsätzlich vertrete ich die Meinung, dass man am Weg mehr als ausreichend Zeit hat, seinen Körper an die Strapazen zu gewöhnen. Sprich, das Training davor wird völlig überbewertet und kann stark vernachlässigt werden. Spitze, denn das trifft genau meinen Geschmack!!
Doch dann kam Reini. „Ich freue mich schon so auf das Training für unsere Reise! Da will ich so richtig in Form sein!“ WAS?? Entgeistert schaue ich ihn an und versuche ihm mit meinen eindringlichen Blicken zu sagen, dass ich seine Aussage nicht lustig finde und da GANZ ANDERER MEINUNG bin als er. So war das nicht ausgemacht. Die Anstrengung kann ruhig bis zum Start unserer Reise warten, die 20-monatige Schinderei muss wirklich genügen. „Das ist mein Ernst“ entgegnet er mir beharrlich. „Und dir würde es auch nicht schaden, bisschen fitter zu werden, damit die ersten Tage nicht zur Qual werden. Auf deine Jammerei gleich in der ersten Woche habe ich keine Lust!“ Verdattert schaue ich ihn an, sacke in mich zusammen und gebe auf. 1:0 für Reini.
Seine Aussage mag etwas hart klingt, aber er hat (ausnahmsweise dieses eine Mal) recht. Die ersten Tage müssen körperlich ertragbar sein, sonst wird der Beginn noch härter, als er ohnehin sein wird. Noch nie habe ich mich auf eine meiner Radreisen mit gezieltem Training vorbereitet. Aber ich hatte auch noch nie ein so schwer beladenes Rad unterm Hintern. Klar, das meiste Gewicht bekommt mein starker Begleiter auf den Gepäckträger geschnallt. Seinen strammen Wadeln macht das nichts aus und ich habe weniger Grund zu jammern. Die vielen Kilometer und Höhenmeter muss ich trotzdem aus eigener Kraft bewältigen.
Zögerlich stimme ich Reini zu und willige mit verzerrter Miene ein – das Training kann (oder besser gesagt muss) beginnen.
Glück im Unglück! Reini ist Meister im Trainingspläne erstellen. Doch aus Erfahrung weiß ich, dass seine Pläne ambitioniert ausfallen. Bei der Vorbereitung auf meinen ersten (und einzigen) Halbmarathon vor zwei Jahren habe ich das zu spüren bekommen! Einen derart straffen Plan möchte ich dieses Mal verhindern: kaum hat er den Stift in die Hand genommen, setze ich mich dicht neben ihn. Er beginnt die erste Woche zu planen und schon sprudelt es aus mir heraus: „Nein nein nein, an dem Tag kann ich nicht joggen gehen, weil...ähm...da kann ich einfach nicht! Was?? Vier Mal pro Woche Ausdauer? Hey, du musst das langsam mit mir angehen, nicht alles auf einmal. Zwei Mal Ausdauertraining und einmal Krafttraining muss reichen! Einen Morning Run ohne Frühstück?? Bist du verrückt? Ich will nicht Olympiasiegerin werden, ich will nur Fahrrad fahren...“ Entnervt reißt er mir den Plan aus meinen Händen, klaut meinen Lieblingsspruch und richtet ihn gegen mich: „Von nix kommt nix!!“ Ich bin argumentationslos. 2:0 für Reini.
Der Trainingsplan steht für die ersten zwei Wochen und ich muss gestehen – es ist GENIAL! Weil unser erstes Ziel „fitter werden“ nicht sehr konkret ist, ist das Training flexibel und jeder Sport willkommen. Somit haben wir die erste Woche vier traumhafte und ausgiebige Skitouren gemacht! Bei diesem Skitouren-Genuss wird der Trainingsplan noch zu meinem besten Freund!
Ich bin optimistisch und bin auf die nächsten Trainingswochen gespannt!
Angi
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